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Spiel im Morgengrauen

(nach der Novelle von Arthur Schnitzler)

 

1. Akt, 4. Szene

 

 

Im verrauchten Hinterzimmer des Café Schopf. Um den grünen Spieltisch, auf dem Flaschen, Gläser und Aschenbecher stehen, sitzen Konsul Schnabel, Regimentsarzt Tugut, der Schauspieler Elrief und der Theatersekretär Weiss; Leutnant Greising steht hinter Tugut und beobachtet das konzentrierte Spiel.

 

TUGUT

Zweihundert in die Bank.

 

Weiss, Schnabel und Elrief setzen, Tugut teilt je zwei Karten an die drei und an sich selbst aus, die sich alle verdeckt ansehen.

 

WEISS

Karte.

 

Tugut gibt ihm eine weitere, sieht Schnabel fragend an. Der winkt ab. Der gleiche Blick zu Elrief, der ebenfalls abwinkt. Auch Tugut selbst bedeutet, dass er keine Zusatzkarte nimmt.

 

WEISS

Sieben.

 

ELRIEF

Dito.

 

SCHNABEL

Zu viel.

 

Tugut deckt seine Karten auf.

 

TUGUT

Und acht.

 

Tugut greift über den Tisch und streift den Gewinn ein. Weiss entnimmt seiner Brieftasche mehrere Geldscheine.

 

GREISING

Zuckt nicht mit der Wimper.

 

WEISS

Was soll ich zucken? Hauptsache g’sund.

 

Tugut hält inne, sieht Weiss an.

 

TUGUT

Das war jetzt aber unter der Gürtellinie, Herr Sekretär.

(mit einem Blick zu Greising)

Und zwar im wahrsten Sinn des Wortes.

 

WEISS

(verlegen zu Greising)

Verzeihung, Herr Leutnant. War nicht auf Sie gemünzt.

 

GREISING

Keine Ursache, Herr Sekretär. Wer nicht einmal mehr mit der Wimper zucken kann ...

 

TUGUT

Geh, Greising, ich bitt dich! Er hat sich entschuldigt.

 

Inzwischen greift Schnabel in seine Jackentasche, zieht einen Packen Geld heraus.

 

SCHNABEL

Ich setze hundert auf die nächste.

 

ELRIEF

Ein Wort, ein Mann.

 

SCHNABEL

(schneidend)

Dass das Wort vor dem Mann kommt, werter Herr Elrief, ist wohl nur am Theater so.

 

WEISS

Fünfzig, meinetwegen.

 

Schnabel, Weiss und Elrief placieren ihre Einsätze. Tugut teilt aus.

 

WEISS

Karte.

 

Schnabel und Elrief winken ab. Weiss wirft leicht verärgert seine Karten auf den Tisch.

 

WEISS

Zuviel.

 

Tugut nimmt sich selbst noch eine Karte. Schnabel deckt auf.

 

SCHNABEL

Ich habe acht.

 

ELRIEF

Dito.

 

TUGUT

Das ist Pech, meine Herren. Neun.

 

Tugut streift den Gewinn ein. In diesem Augenblick betritt Wilhelm das Spielzimmer.

 

GREISING

Schau einer an. Der Kasda gibt sich heut auch die Ehre.

 

WILHELM

Servus, Greising. Verehrung, die Herren.

 

Allgemeines Begrüßungsgemurmel.

 

GREISING

Und so schöne Blumen. Geh, Kasda, das wär doch net nötig g’wesen.

 

Greising lacht als einziger über seinen Witz; die anderen spielen weiter. Wilhelm steckt die Blumen in eine Vase, die neben dem Eingang steht.

 

GREISING

(leise zu Wilhelm)

Gestern Nachmittag hätt ich’s gebraucht, deine Roserln, drüben im Kurpark.

(plump vertraulich)

Ein kleines Rendezvous, du weißt schon, das sich erst spät, sehr spät am Abend zum Abenteuer ausg’wachsen hat. Ein Spaziergang hätt’s sein sollen, eine Expedition ist es geworden. Jungfernfahrt, sag ich nur. Eisberg. Aber mit deinen Blumen, wer weiß? Da wär ja das Eis vielleicht schneller geschmolzen, und ich hätt die Sache schon eher zum Abschluss gebracht.

 

WILHELM

(mit einem Blick auf Greisings Schoß)

Und dein ... dein ... Leiden? Deine Krankheit?

 

GREISING

Das ist der Lauf der Welt, es müssen halt auch andere dran glauben. Was soll ich mit so einem Wanderpokal, wenn ich ihn nicht wandern lassen darf?

 

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