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Spiel im Morgengrauen
(nach der Novelle von Arthur Schnitzler)
1. Akt, 3. Szene
Die verschlafene Badener Bahnhofshalle. Lautes Zischen einer Lokomotive. Die Kessners (Mutter Vera und Tochter Amalie) warten auf den Zug, beide wirken missmutig. Wilhelm, die zwei Blumensträuße in Händen, ist eben dem Zug entstiegen.
WILHELM Nein, so eine Fügung!
Wilhelm eilt auf die beiden Frauen zu.
AMALIE Herr Leutnant!
WILHELM Dabei wollt ich Ihnen grad ... (er küsst zuerst der Mutter, dann Amalie die Hand) Dabei wollt ich der gnädigen Frau, dem gnädigen Fräulein - und natürlich auch dem werten Herrn von Kessner - grad einen kleinen Besuch abstatten.
MUTTER KESSNER Das ist ja ... ein Jammer, Herr Leutnant. Leider sind wir sehr in Eile.
WILHELM Sie verreisen?
AMALIE (düster) Allerdings. Bad Vöslau.
MUTTER KESSNER Nur eine kleine Landpartie. Ein bisserl promenieren, vielleicht auf den Harzberg hinauf, und nachher im Schlosspark soupieren.
AMALIE (patzig) Mit dem Herrn Papa und seinen sogenannten ...
Ein strenger Blick der Mutter schneidet ihr das Wort ab.
MUTTER KESSNER Herr Leutnant müssen verzeihen. Das Kind hat sich schon seit der Früh in seinen Schmollwinkel zurückgezogen.
AMALIE So lass mich halt.
MUTTER KESSNER Natürlich lass ich dich. Es bleibt mir ja nicht anderes übrig. Die Mutter sieht Wilhelm entschuldigend an. Dann wieder zu Amalie:
MUTTER KESSNER Aber dass einem das gnädige Fräulein schnappig kommt, wenn’s einmal nicht nach ihrem Kopf geht, das ... Das muss auch einmal gesagt sein!
AMALIE Ich komm ja eh mit! Was soll ich denn noch?
MUTTER KESSNER Vielleicht ... kein solches Schnoferl ziehen?
AMALIE Verstehe. Wenn der Vater nach mir pfeift, dann soll ich nicht nur stante pede angelaufen kommen, sondern auch noch - freudig! - mit dem Schwänzchen wedeln!
MUTTER KESSNER Schluss jetzt, Amalie! Reiß dich zusammen!
Amalie ist kurz davor, in Tränen auszubrechen. Mutter Kessner, wieder mit einem entschuldigenden Blick zu Wilhelm:
MUTTER KESSNER Ich bitt dich, Kind. Am End wird’s noch ein schöner Tag für uns.
AMALIE Ein schöner Tag! Grad in Vöslau! Und noch dazu mit diesen ... diesen ...
MUTTER KESSNER Diesen was? Die Lehners sind gut situierte, honorige Leut! Und - ganz nebenbei - die wichtigsten Kunden deines Herrn Papa. Wenn die uns einmal nimmer mögen, dann ist nichts mehr mit Ballkleidern hier und Klavierstunden da.
AMALIE (leise, abfällig) Klavierstunden ...
MUTTER KESSNER Und dass ihr Bub nicht nach deiner ... Fasson ist? Ich weiß, du tät’st am liebsten jeden Sonntag zu Walzerklängen den Ring entlang promenieren, mit einem feschen jungen Offizier vielleicht ...
AMALIE Mama!
MUTTER KESSNER (zu Wilhelm) Nichts für ungut, Herr Leutnant, aber ... Man baut die Zukunft nicht darauf, dass einer jung und flott ist und was gleichschaut. Nicht die Zukunft. (zu Amalie) Glaubst vielleicht, dass ich mir damals deinen Vater ...
Sie verstummt.
AMALIE Dass du dir meinen Vater was?
MUTTER KESSNER Man wächst zusammen mit der Zeit. Von Luft und Liebe hat noch keiner leben können. Und der Bub von den Lehners ist doch wirklich ...
AMALIE Soo ein adretter und soo ein tüchtiger Bursche! Güter! Fabriken! Eine Jahrhundertpartie! Andere junge Damen möchten sich alle zehn Finger ...!
MUTTER KESSNER Meinetwegen: Schönheit ist er grad keine ... Dein Vater kann sich halt auch nicht um alles kümmern.
AMALIE Nur ums Geld.
MUTTER KESSNER Amalie! Du wirst es überleben. Also komm schon, Kind.
AMALIE Wollen uns der Herr Leutnant nicht begleiten?
MUTTER KESSNER Amalie! Du weißt doch, dass ...
WILHELM Nein, nein, ich will mich nicht ... Ich tät ja sehr gern, aber ich muss auch noch ... einen Kameraden besuchen, hier im Garnisonsspital.
Er wird der zwei Blumensträuße gewahr, will sie der Mutter und Amalie überreichen. Amalie will schon zugreifen, aber:
MUTTER KESSNER Nicht bös sein, Herr Leutnant, aber ... Wir werden ja bis zum Abend ...
Mutter Kessner zieht Amalie Richtung Bahnsteig. Amalie dreht sich noch einmal um.
AMALIE Heben Sie’s auf für mich, die schönen Blumen!
MUTTER KESSNER (im Abgehen zu Amalie) Du wirst auch das überleben!
Wilhelm blickt den beiden nach. Nicht lange, und ein Pfiff ertönt, gefolgt vom Schlagen der Zugtüren. Die Lokomotive setzt sich stampfend in Bewegung.
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