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Ungeduld
(nach dem Roman "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig)
Bühnenfassung: Stefan Slupetzky - Regie: Michael Gampe - Bühne: Peter Loidolt - Kostüme: Erika Navas - Licht: Lukas Kaltenbäck - Musik: Kyrre Kvam. Mit: Claudius von Stolzmann, Marcello de Nardo, Merle Wasmuth, Karin Kofler, Rainer Friedrichsen, André Pohl, Elisabeth Augustin, Rainer Frieb, Roman Frankl, Robert Finster und Christoph Zadra |
Peter
Jarolin,
"Kurier" vom
7. 7. 2012: Mit der Dramatisierung von Stefan Zweigs Roman "Ungeduld des Herzens" landen die Festspiele Reichenau vielleicht den Überraschungshit ihres diesjährigen Programms. So, genau so, sieht ganz großes Schauspielertheater aus. So, genau so, lässt sich jede Diskussion darüber, ob man Romane auf die Bühne bringen sollte, im Keim ersticken. Denn mit der Dramatisierung von Stefan Zweigs Roman "Ungeduld des Herzens" landen die Festspiele Reichenau zu ihrem 25-jährigen Jubiläum vielleicht den Überraschungshit ihres diesjährigen Programms. Bei dieser "Ungeduld" (so der neue Titel) stimmt eigentlich fast alles. Das beginnt bei Stefan Slupetzkys herrlich kluger Dramatisierung, die perfekt das Flair des Romans zur Geltung bringt. Slupetzky hat brillante Dialoge verfasst, hat das Geschehen gut verknappt und auf das Wesentliche reduziert. So folgt man dem Treiben in einer kleinen ungarischen Garnisonsstadt knapp vor dem Ersten Weltkrieg. Man erlebt, wie der junge Leutnant Anton Hofmiller mehr und mehr in den Bann der reichen Familie Kekesfalva gerät, wie er (aus Mitleid mit der an den Rollstuhl gefesselten Tochter Edith) zum sprichwörtlichen Kaninchen vor der Schlange mutiert, das einen emotionalen Totentanz auslöst. Edith will nämlich mehr. Nicht Mitleid, sondern Liebe. Zu spät erkennt dies der Leutnant, zu spät will er sich Ediths Wünschen fügen. Diese begeht Selbstmord, der Erste Weltkrieg bricht aus, und der Leutnant wird zum mit Schuld beladenen Helden So will es Stefan Zweig, so zeigt es Regisseur Michael Gampe in seiner sehr schön gearbeiteten, konzisen Inszenierung; Peter Loidolt schuf im Theater den bereits Nestroy-erprobten Bühnenrahmen. Schön die Kostüme (Erika Navas) sowie die passenden Kompositionen von Kyrre Kvam. Ein Ereignis aber sind die Schauspieler. An der Spitze Claudius von Stolzmann als Leutnant Hofmiller, der es allen recht machen will und sich dadurch in ein Netz aus Abhängigkeiten und Lügen manövriert. Stolzmann geht in dieser Rolle voll auf. Gleiches gilt für den grandiosen Marcello de Nardo als sich für seine Tochter aufopfernder Vater mit dubioser Vergangenheit. Sensationell. Als Edith hat Merle Wasmuth die dankbarste Rolle, die sie auch ideal ausfüllt. Der exzellente André Pohl als Arzt und ein von Rainer Frieb angeführtes Ensemble machen Zweig zu einem theatralischen Ereignis.
"Die Presse" vom 7. 7. 2012 Zum 25. Geburtstag zeigen die Festspiele Reichenau packenden Stefan Zweig: "Ungeduld" in Michael Gampes einfühlsamer Regie. Die dritte Premiere galt Freitagabend der Theaterfassung von Stefan Zweigs Roman "Ungeduld des Herzens". Krimi-Autor Stefan Slupetzky ("Der Lemming") straffte Zweigs gewaltiges Gesellschaftspanorama vom Vorabend des I. Weltkriegs etwas ruppig, aber effektvoll. Michael Gampe inszenierte die Geschichte eines jungen Offiziers, der sich mit einem gelähmten Mädchen anfreundet, das die einzige Tochter eines steinreichen Mannes ist. Brillante
Protagonisten - Merle Wasmuth und Claudius von Stolzmann sind ein überaus
intensives Paar: Edith verliebt sich in den mittellosen Leutnant Hofmiller, der
vor ihrer Leidenschaft zurückschreckt. Als er sich zu ihr bekennen will, ist es
zu spät. Die geglückte und klug besetzte Aufführung erfordert Geduld,
Aufmerksamkeit: Marcello de Nardo ist wunderbar als Ediths Vater. André Pohl
berührt als engagierter Arzt mit seiner blinden Frau (Elisabeth Augustin).
Rainer Frieb gibt den Apotheker, der verrät, dass Hofmiller seine Verlobung mit
Edith vor seinen Kameraden geleugnet hat. (...)
Frido Hütter, "Kleine Zeitung" vom 7. 7. 2012: Michael Gampe überzeugt mit einer Stefan-Zweig-Bearbeitung von Stefan Slupetzky. REICHENAU. Wenn im Ortsbild überlebensgroße Porträts von Wiener Bühnenstars prangen, wenn Schnitzler, Nestroy, Zweig u. ä. annähernd im Originalton gespielt werden, wenn noch vor der Premiere ein Querkleber auf dem Plakat mitteilt: "Alle 33 Aufführungen ausverkauft", dann ist es Sommer in Reichenau. Renate und Peter Loidolts Festspiele sind das - neben Salzburg - bestbesetzte Bühnenfest abseits der klassischen Theatersaison. Heuer reüssiert man wieder einmal mit einem dramatisierten Roman. Stefan Slupetzky schrieb eine Bühnenfassung von Stefan Zweigs "Ungeduld des Herzens". 1939 erstveröffentlicht, ist die Geschichte von zeitloser Gültigkeit: Junger Offizier lernt auf einem Schloss die gelähmte Tochter des Besitzers kennen. Motiviert von Mitleid aber wohl auch angezogen vom Reichtum ihres Vaters, besucht er die Schöne im Rollstuhl regelmäßig. Bei ihr wird rasch Liebe daraus, bei ihm bleibt es beim schieren Mitgefühl, die Tragödie ist programmiert. In Peter Loidolts symbolstarkem Bühnenbild inszeniert Michael Gampe Slupetzkys wohlgeratenen Text mit traumhaft schönen Szenen und sicherem Rhythmus. Die häufige Verschränkung von Orts- und Zeitebenen bewahrt vor plattem Realismus. Vor allem drei Protagonisten tragen den zweieinhalbstündigen Abend: Merle Wasmuth kämpft mit differenziert ausbrechender Wut gegen ihr Rollstuhlgefängnis. Claudius von Stolzmann überzeugt als Tröster, dessen zu schwacher guter Wille massive seelische Flurschäden anrichtet. André Pohl bietet als Dr. Condor einen gewissen Ruhepol im dramatischen Geschehen. Alles in allem ein beglückender Abend, der hoch konventionelles Theater und feine Regiearbeit aufs Schönste vereint. Das Premierenpublikum quittierte ihn mit lange anhaltendem, teils frenetischem Applaus.
Oliver A. Láng, "Kronen Zeitung" vom 8. 7. 2012: Beim zweiten Streich ist es doch auch großes Theater, das die Festspiele Reichenau heuer bieten: "Ungeduld", von Stefan Slupetzky neu dramatisiert nach Stefan Zweigs "Ungeduld des Herzens", entpuppt sich als poetisch-schöne, vor allem aber tragische Wanderung durch das weite Land der Seele. Ausgezeichnet gespielt. Klar sind die Bilder, die Michael Gampe entwirft. Klar auch das Bühnenbild Peter Loidolts, das im Hintergrund unter weißem Himmel eine versinkende Welt andeutet. Hier, in der Weite der Landschaft, erlebt man manche Enge des Herzens und des Geistes. (...) Zweigs die Seele analysierender Stoff bewegt auch in der Theaterfassung Stefan Slupetzkys, der gute, übersichtliche und dichte Szenen schrieb. Der Text gibt Raum für die Entwicklung der Geschichte, für das Walten des grausamen Schicksals. Doch Gampe lässt die Zweifel, Ängste und Nöte spüren, lässt auch schreien und laufen, bewahrt aber stets die Atmosphäre des Unaufdringlichen, ja Eleganten. Stefan Zweigs Welt von gestern atmet in dieser Inszenierung! Zart, klug und eindringlich sind die Figuren Gezeichnet und ihr Wesen gestaltet, ohne Hast wird die Handlung entrollt. Claudius von Stolzmann ist der Leutnant Andreas Hofmiller, der zwischen Schwäche und Mitleid ein Unglück verschuldet: eine sehr genau gestaltete Figur erlebt man da, in feinen Details gezeichnet, selbst in Momenten der überschlagenden Stimme niemals überzogen. Merle Wasmuth als leidende Gutsbesitzerstochter Edith ist da ein Pendant, das ebenso zu berühren wie zu fesseln vermag, das teilhaben lässt am gnadenlosen Schicksal. Um die beiden hat Gampe die übrigen Figuren überzeugend gruppiert. So Elisabeth Augustin als Frau Condor, Marcello de Nardo als Herr von Kekesfalva, André Pohl als Dr. Condor, Karin Kofler als Ediths Cousine. Das begeisterte Publikum jubelte.
"NÖN" vom 9. 7. 2012: Mitleid
als Basis der Liebe. Das kann nicht funktionieren. Und tatsächlich endet der
herzzerreißende Versuch der gelähmten Edith (außerordentlich facettenreich:
Merle Wasmuth), den gutherzigen Leutnant Hofmiller (großartig: Claudius von
Stolzmann) an sich zu binden, im Selbstmord.
Margarete Affenzeller, "Der Standard" vom 9. 7. 2012: Zwei mammuthafte Romanadaptionen stehen am Ende der diesjährigen Festspiele Reichenau. Reichenau an der Rax - Es gibt Leute, die haben Zeit, sich nur um ihre Liebesangelegenheiten zu kümmern. Sie gehören meist zu den gehobenen Ständen und legen alle Kraft - nicht selten bis zur Erschöpfung - in ihre Gefühlsregungen. Sowohl in Stefan Zweigs Ungeduld des Herzens als auch in Leo Tolstois Anna Karenina kapitulieren die Protagonistinnen vor einer auf fatale Weise uneingelösten Liebe. Am Ende steht, da wie dort, eine tote Frau und ein sich aus schlechtem Gewissen in den Krieg flüchtender Mann. Für die bei den Reichenauer Festspielen nun uraufgeführten Bühnenfassungen war es notwendig, die mörderisch dicken Romane auf ein handliches Format herunterzuhungern. Stefan Slupetzky (für Zweig) und Nicolaus Hagg (für Tolstoi) haben mit massiven Kürzungen und klugen Verdichtungen dafür gesorgt, dass man bereits um halb elf Uhr abends noch in einen der Sommerfrischegastgärten entlang der Schwarza aufbrechen konnte.
Ewald Baringer, "Austria Presse Agentur" (übernommen von "Salzburger Nachrichten", Wiener Zeitung", "Neues Volksblatt", "relevant.at", "liveradio.at" etc.) vom 7. 7. 2012: Herausgekommen ist ein langatmiges Rührstück. (...) Insgesamt viel verlorene Liebesmüh.
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