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Trio Lepschi

mit links

 

 

Klaus Nüchtern, "Falter", 6. 10. 2010

Lustig, brutal, deppert und gemein: die fantastischen Lieder von Slupetzky, Slupetzky und Zrost, besser bekannt als Trio Lepschi

Das Album ist zwar bereits im Juli erschienen, aber dass das „Bankngschtanzl“ vorzeitig „verjähren“ würde, musste wohl niemand befürchten. Bereits vor der Krise wurden die irischen Banken mit Staatsgarantien von 400 Milliarden Euro provisorisch gerettet, dieser Tage erklärte der irische Finanzminister, es seien weitere 11,4 Milliarden zur Rettung der mittlerweile verstaatlichten Anglo Irish Bank benötigt. Kein Wunder, wenn da dem Betonmischmaschinenlastkraftwagenfahrer das Gimpfte aufgeht: „Toxic Bank“ stand auf seinem Fahrzeug, mit dem er die Absperrung des irischen Parlaments zu durchbrechen versuchte.

„Und die Bankn, die krochn, und die Menedscha lochn“, lässt das Trio Lepschi der Krise in klassischer Wiener Gemütslage (hoffnungslos, aber nicht ernst) ihren Lauf, nicht ohne das wortreich ausgemalte Finanzkatastrophenszenario mit einem Hohn zu begleiten, der weniger über die „Menedscha“ als über die maroden Nationen ausgekübelt wird.

In einer ebenso spaßigen wie systematischen Suada wird kaum ein Ressentiment und Nationalklischee ausgelassen, da kommen „die Iren, die irren“ noch vergleichsweise glimpflich davon, denn „Bei die schebign Estn schtehts aa ned zum Bestn / Und drunt in Italien wiads eng mit d Fressalien / Und die miesn Portgiesn schlittan schnuagrod in d Krisn / Und in Island die Isn schteckn tief in den Miesn / Und die windign Ungarn wean boid scho vahungarn“ usw., usf.

Als erstaunlich krisenresistent hingegen erweist sich die gesungene Dialektdichtung, die von Kollegium Kalksburg, den Strottern, Oskar Aichinger, Bohatsch & Skrepek, Hannes Löschel, Ernst Molden, Walther Soyka und vielen anderen jenseits der Austropopperei fortgeführt wird.

Das Trio Lepschi reiht sich hier bruchlos ein und besteht aus drei Herren im besten Alter – Männern, die den Funken des Hallodritums noch zu zünden wissen, aber doch schon weise genug sind, um dem Witzelzwang zu entgehen und dem Ernst des Lebens seinen Tribut zu zollen.

Als Texter fungiert der Krimischriftsteller Stefan Slupetzky, der für „Lemmings Zorn“ soeben mit dem von der Stadt Wien gestifteten, erstmals vergebenen Leo-Perutz-Preis ausgezeichnet wurde; als Komponisten, Instrumentalisten und Co-Sänger stehen ihm sein Bruder Tomas Slupetzky (g, viol) und der Jazzer Martin Zrost (g, cl, b-cl) zur Seite.

Die Arbeitsaufteilung ist klar und funktioniert prächtig: Stefan S. schreibt ziemlich viel Text (wenn die Herren das alles auswendig können: Respekt!), Arrangements und Instrumentalparts sind dafür umso zurückhaltender, aber auch umso eindringlicher ausgefallen (etwa auf dem brachialen Acapella-Stampfer „Schtean“); und wenn das improvisatorische Element beim Liveauftritt noch forciert wird, soll es uns nur recht sein.

Bös und brutal, gfeanzd und gspaßig, odraht und ordinär, zwider und zärtlich – all das Kolorit, das auf der breiten Palette Wiener Befindlichkeiten Platz hat, wird hier genutzt, den geneigten Hörer bei Laune zu halten. Ein Ausflug in die „Provinz“, wo im süffigsten Austrenglish „Lindwurmfountain“ auf „Plabutschmountain“ gereimt wird, weitet den Horizont gen Westen.

Selbst die nicht unheikle Tradition des schwarzen Humors, in der man sich in der Nachfolge von H.C. Artmann, Gerhard Rühm, Ernst Kain und Co ja auch verheddern kann, meistert das Trio insofern souverän, als der Titelsong „Mit links“ politisch und sexuell entschieden inkorrekt ist.

Was sich auch von der „Maid aus Wulkaprodersdorf“ behaupten lässt. Allerdings fällt dieses sichtlich in der Tradition des Sprachartisten Heimo Wisser (1952–1998) stehende „Ortsnamenlied“ weniger in die Kategorie „bös und brutal“ als in die Abteilung „odraht und ordinär“: „Sag mir, holde Maid aus Wulkaprodersdorf, / Wann ich endlich deine Wulka prodern dorf, / Dein Minihof, ich Kukmirn an von hint und vorn, / Vor lauter Rust wächst mein Stinatz mir gleich zum Horn.“

 

Ernst Molden, "Kurier", 23. 10. 2010

Vor allem aber: Trio Lepschi. Dieses tintenrabenpechschwarze Wunder versüßt mir meinen Herbst am nachhaltigsten. Die Band besteht aus Stefan Slupetzky, dem Krimischreiber, aus seinem Bruder Tomas und aus dem Jazzmusiker Martin Zrost. In 16 Liedern wird Folgendes thematisiert: der Tod, die Krise, der Sex als Handicap und die Ausländer, also lauter Bereiche, in denen der Wiener Kernkompetenz besitzt. Die Songs pflegen ein Zusammenspiel von der verhaltenen Gewalt der Tiger Lillies, besitzen aber dazu Textgehalt wie bei Karl Kraus und zu alldem ein ebenso verhaltenes diebisches Vergnügen am Ausleuchten der Finsternis. Ja, da lacht das Herz: Beese Mauna, heißt die eine Lieblingsnummer von mir, Beese Mauna siagt ma niemois duach die Stroßn huschn, / denn die wohnan draußt im Greanan hinta hoche Buschn. Oder: Waunst ned wüüst, dass des Lebm mit dia schpüüt, daun spüüst am bestn söwa mit dein Lebm. Genau: der Herbst ist eine Wiener Erfindung, seine Überwindung im Unendlichen das größte Wiener Talent.

 

Manfred Horak, "kulturwoche.at", 9. 10. 2010

Das neue Wienerlied verschlägt es nun "mit links" in ein musik-literarisches Glanzmodell, umgesetzt von den drei Herren Stefan Slupetzky, Martin Zrost und Tomas Slupetzky. Einem vergnügten Abend steht damit nichts im Weg.
Apropos vergnügt: Selbiges steckt ja bereits im Bandnamen. "Auf Lepschi gehen" kann nämlich auch umschrieben werden als "sich (heimlich) einen vergnügten Abend machen" bzw. "auf Aufriss gehen". Dieser Wiener-Dialekt-Begriff kommt ursprünglich aus dem tschechischen (lepsi) und bedeutet dort wiederum "besser (als Arbeit)". Und besser als Arbeit ist diese CD allemal. 16 Lieder und Miniaturen verzahnen sich zu einem wahren Wienerlied-Ereignis. Und das hat seine guten Gründe. Einer davon ist zunächst einmal Martin Zrost (Gesang, Gitarre, Klarinette), der die meisten Lieder komponierte und für die Arrangements sorgte. Zrost kann man getrost als musikalischen Grenzgänger bezeichnen. Des Steirers Spektrum reicht von Jazz (Trio Exklusiv) bis Wienerlied (Kollegium Kalksburg), von Theaterkompositionen (Flieger, grüß mir die Sonne) bis Tanztheater (Bilderwerfer) und wusste auch fürs Trio Lepschi seine originären Musikvorstellungen einfließen zu lassen. Dann wäre natürlich auch der zweite Komponist des Albums, Tomas Slupetzky (Gesang, Gitarre, Geige), der eigentlich hauptberuflich Sozialarbeiter ist und auf "mit links" für die musikalisch heiteren Momente wie dem "Bankngschtanzl" und dem "Ortsnamenlied" sorgt. Seinen Bruder Stefan Slupetzky (Texte, Gesang, Säge) wiederum kennt man als Urheber der Lemming-Romane (bisher wurde einer sogar verfilmt) und auch als Liedtexter für Die Strottern. Diese Erfahrung scheint ihn (möglicherweise; es gilt freilich wie immer die Unschuldsvermutung) in großem Maße motiviert haben, sodass eine ordentliche Sammlung zustande kam. Gut so, denn die Geschichten, die Stefan Slupetzky in Liedtexte zu formen verstand, sind bös, tiefgründig, absurd, brutal, verträumt und verspielt. Wortspielereien sind zuhauf vorhanden, gleich beim Einstiegslied z.B., "Deholiolleo", sind ihm die ersten Lacher sicher, so auch beim Titellied mit seinem schwarz-humorigen Text, das man durchaus auch als Nachdichtung vom "Krüppellied" (Heller/Qualtinger) hören kann oder einfach nur als Hommage an Kurt Sowinetz. Genial freilich auch die Verschmelzung des wienerischen mit dem Country-Genre in "O Ostarritsch" mit dem wunderbaren Auftakt: "We honeymooned in Österreich, the lovely Land am Strome / expecting Hämmer zukunftsreich and Berge, Äcker, Dome. / We travelled through the Countryside, we saw the Rinder grasen. / 'Okay, my dear', so asked my bride, 'is that schon alles g'wesen'?" Herrlich auch der Wirtschaftspolit-Zynismus im "Bankngschtanzl" und völlig vercodiert und abgehoben schließlich die "Maid aus Wulkaprodersdorf - Ortsnamenlied" mit dem köstlichen Refrain: "In deinem OSLIP will ich nach der TSCHANIGRABEN / und meinen GIESSHÜBL an deinem MOOSBRUNN LAABEN / und in dein GAILTAL meinen LANGEN PRIGGLITZ lenken / und dann mein LEONDING in deiner SOOSS versenken." Grandios.

 

Gerald Schmickl, "Wiener Zeitung", 24. 12. 2010

Von Beach House über Erdmöbel bis zum Wiener Trio Lepschi: Später Hinweis auf drei bemerkenswerte Alben des Jahres 2010.

(...) Mit so viel Sprachwitz und Kreativität kann derzeit nur eine österreichische Formation mithalten, die heuer erstmals nachhaltig (und nachhallend) auf sich aufmerksam gemacht hat: das Trio Lepschi, rund um den vor allem für seine Lemming-Krimis bekannt gewordenen Wiener Autor Stefan Slupetzky (mit dabei sind weiters Slupetzkys Bruder Tomas – Komposition, Gesang, Gitarre, Geige – und Martin Zrost – Komposition, Gitarre, Klarinette).

Aus ihrem Debütalbum "mit links" sticht vor allem das "Ortsnamenlied" "Maid aus Wulkaprodersdorf" hervor, in welchem österreichische Städte und Dörfer auf so (er)finderisch sprachspielerische wie deftige Art musikalisch eingemeindet werden.

Anders als bei manchen Dialektkollegen gerät die Platte des Trios mit fetten 16 Nummern nicht nur textlich, sondern auch musikalisch abwechslungsreich, weil neben den üblichen Wiener Versatzstücken, also allerlei schräg Geschrammeltem, auch Bluesig-Folkig-Jazziges erklingt.

Und im finalen, rein A-capella bewältigten "Solaung" gibt es ein Furioso an Wiener Zungenbrechern: ". . . Solaung da Gaatschhupfa no in Gaatsch hupft. Solaung da Duttlschupfa no die Duttl schupft, solaung da Sacklpicka no a Sackl pickt, solaung da Blunznschtricka no a Blunzn schtrickt . . ."

Es endet mit der für diese Stadt nicht untypischen ambivalenten Bilanz: "Solaung is eigentlich e iangdwie ois soweit in Uadnung".

Welcher Einschätzung man sich nur – iangdwie – anschließen kann.

 

Robert Pfaller, "Der Standard", 29. 1. 2011

(...) Eine äußerst würdige Erbin des antiken Materialismus ist mir vor kurzem auf der neuen CD Mit links des Trio Lepschi begegnet. In diesem philosophischen Meisterstück wird auf der Frage nach dem guten Leben insistiert. So heißt es in dem Lied Gschtuabm: "Sie haum uns des Lebm vaduabm, iangdwie sammar olle patea,/ wäu wea oiwäu und schtändig nua Fedan hod,/ dem woxn kaane Fliagl mea./ Sie haum uns des Schteabm vabotn,/ iagndwie haumar olle an Schiss,/ vegetian wia die lebendn Totn, / wäu z Dod gfiacht hoid aa gschtuabm is."

 

"Jazzthetik", 09 - 10 / 2011: 

Für die Blüte des neuen Wienerlieds sind beileibe nicht nur die an dieser Stelle schon eingehend gefeierten Strottern zuständig. Mit dem Trio Lepschi um Krimischriftsteller Stefan Slupetzky steht eine weitere Gruppe bereit, um in Wiener Mundart zwischen Schwermut und Humor, der nicht immer nur schwarz, sondern auch mal ziemlich derb ausfällt, neue Wege zu gehen. Die Themenpalette ist groß: Ein abgründiges Abschiedslied („Schatzerl“) und eine einfühlsame Aufzählung von Kindheitserinnerungen („Mei Bluza“) stehen neben tagespolitischen Kommentaren zu Globalisierung und Bankenkrise, die sich mit Nationenbashing ohne jede Rücksicht auf politische Korrektheit vermischen („Bankngschtanzl,,). Eine extrem kurzweilige Sache zu abwechslungsreicher Musik, die neben Jodelpersiflage und Schrammelmusik auch Blues und Jazz einschließt.

 

Robert Sedlaczek, "Wiener Zeitung", 31. 8. 2011:

Ein Krimiautor als Liedermacher

Stefan Slupetzky hat großartige Kriminalromane geschrieben. Jetzt erregt er mit einer CD Aufsehen. Sie trägt den Titel „mit links“.

Es ist fünf vor zwölf. In wenigen Tagen soll das „Wörterbuch des Wienerischen“ layoutiert werden, dann die letzten Korrekturen und die Druckfreigabe. Da ist Hilfe von allen Seiten gefragt. Das Wiener Volksliedwerk und seine freundlichen Mitarbeiterinnen tragen Texte von Wienerliedern zusammen. Dort finde ich interessante Belegstellen aus der Wiener Mundart. 

Als ich wieder einmal nach Ottakring pilgere, läuft auf einem CD-Player eine wienerische Musik. Sie zieht mich sofort in ihren Bann. „Was ist das?“ – „Das ist Stefan Slupetzky und seine Band.“ – „Der Krimiautor?“ – „Genau.“ – „Kann ich das hier kaufen?“

Zuhause angekommen, studiere ich das Beiheft. Die drei Musiker, darunter der Bruder des Krimiautors, nennen sich Trio Lepschi. Sie laden also die Hörer auf eine musikalische Vergnügungsreise ein, denn „auf Lepschi gehen“ fußt auf tschechisch lepší (= besser) und bedeutet: sich (heimlich) ein paar schöne Stunden machen.

Vergnüglich ist das Ortsnamenlied. (...) Aufklärerisch ist der Text „Wöche Mauna?“ (...) Hitverdächtig ist die Nummer „Deholiolleo“. Als Gerüst dient ein bekanntes Wortspiel aus dem Wienerischen, eine ganz merkwürdige Ablautreihe: eh-aa-o. Sie ist nicht neu, ich kannte sie in der Form: da stön si eh-aa-a-o: Da stellen sich ohnehin auch welche an. Das „auch“ hat ja im Wienerischen manchmal eine Nebenbedeutung: ganz bestimmt, allen Ernstes, gewiss, wirklich. Wenn ein Wiener sagt: „Er is aa a Aff!“, dann meint er nicht nur: „Er ist einer von vielen Affen“, sondern auch: „Er ist ganz bestimmt ein Affe!“ Auf „mit links“ wird die wienerische Ablautreihe originell aufbereitet. (...) Und jetzt würde ich Ihnen den Refrain am liebsten vorsingen: „de hol i eh a olle o, de hol i eh a olle o, de hol i eh a olle olle hol i eh a olle o ...“

 

Erich Demmer, "Wien live", November 2010

Mit Bruder Tomas und Martin Zrost gründete Stefan Slupetzky die Wienerliedcombo "Trio Lepschi", deren erste CD eben erschienen ist. Die heißt zwar "mit links", ist aber ein ausgefeiltes Meisterwerk.

Einmal zarte Texte - dann hart mit dem Stellwagen direkt ins Gesicht der Wiener Gemütlichkeit, einfühlsam und abwechslungsreich instrumentiert. Starke Wiener Lieder aus dem 21. Jahrhundert.

 

Florian L. Arnold, "Augsburger Allgemeine", 5. 9. 2010

Ulm - Bissige Gstanzln zum Weltuntergang

„Wien bleibt Wien“ seufzten schon Georg Kreisler und Helmut Qualtinger - und in bester Tradition dieser Wiener „schwarzen“ Poeten steht auch Stefan Slupetzky mit seinem Trio „Lepschi“, das aus Martin Zrost (Gesang, Gitarre, Klarinette), und seinem Bruder Tomas Slupetzky (Kompositionen, Gitarre, Gesang) besteht. Angekündigt war im „Haus der Donau“ lediglich eine „Lesung“. Daraus wurde mehr - viel mehr.

Zusammen mit seinen eingespielten Partnern kredenzte der Wiener, der auch als Liedermacher und Krimiautor bekannt wurde, satte zwei Stunden Wiener „Schmäh“ aus eigener Feder. Der Rundgang durch Wien, in dem die Ringstraße, der Prater und - natürlich - der Zentralfriedhof nicht fehlen durften, offenbarte in der herrlich scharfzüngigen Präsentation jene Seiten Österreichs, die man in gewissen, dem schwarzen Humor zugeneigten Kreisen so schätzt: eine Mischung aus Lebenslust und Weltuntergangsvorfreude.

Dass sie geradezu „vorbalkanisch“ Paprika im Blut haben, bewiesen die drei auf gleicher Wellenlänge agierenden Künstler nicht nur in den Texten, die ungeschliffen in Mundart vorgetragen und zum besseren Verständnis auch in Hochdeutsch an die Wand projiziert wurden. Auch in den Liedern, an denen auch ein Georg Kreisler seine helle Freude hätte, hielten sie den Tod zum Narren. Mit dem Dichter selbst an der „singenden Säge“ spielten sie „Schrammeln“, die bei keinem „Heurigen“ zu hören wären, dazu beißfreudige Gstanzln zum Weltuntergang: „Na, man kann sich vorstellen, was DAS wieder kost!“ Und wenn das „Schatzerl“ vor die Straßenbahn kommt - na, ein echter Wiener lässt da den Kopf nicht hängen, wo doch der Zentralfriedhof eh „halb so groß wie Zürich, aber doppelt so lustig“ ist.

Was so witzig klang, verbarg oft scharfe Kritik an den herrschenden Klassen: „Wenn du nicht willst, dass man dich zum Narren hält, dann stell dich besser heute schon blöd!“ Wer schwarzen Humor liebt, war bei diesem Kleinod bestens bedient - und bekam gleich den Rat, besser zu Hause zu bleiben, denn: „bei den touristischen Ochsentouren stirbt eh jeder zweite“. Na, wie schön, „dass der Tod ein Wiener“ ist.

 

Klaus Nüchtern, "Falter", 22. 9. 2010

Die Brüder Stefan und Tomas Slupetzky haben sich mit dem Jazzer Martin Zrost zusammen- getan, um in ausladenden Texten und sparsamen Arrangements die an sich gut ausgeloteten Abgründe des Wienerischen noch einmal abzuschreiten. Und siehe da: Es gelingt quasi mit links, sich in eine große Tradition einzuschreiben – bitterböse, saubrutal, saukomisch und hundsordinär!

 

Gottfried Lothar, "Sonntag aktuell", 4. 9. 2010

Schmäh, Morbidität, Messerschärfe

Ulm. Als letzte Veranstaltung im „Café Europa“ auf dem Donaufest war der Wiener Autor Stefan Slupetzky zu Gast. Wer eine seriöse Lesung erwartet hatte, wurde enttäuscht; wer sich jedoch auf eine gesungene Lesung einließ, wurde mit herrlichen Wiener G´schichten und musikalischen Petitessen belohnt. Der Autor, der für seine „Lemming“- Krimis landauf, landab Auszeichnungen einsammelt, ist mit seinem Bruder Tomas und dem befreundeten Martin Zrost zusammen das Trio Lepschi. „Lepschi“ ist ein böhmisches Wort und bedeutet besser. Die Österreicher machen daraus die Redewendung „auf lepschi gehen“, was so viel bedeutet wie „einen draufmachen“. Und das passte zu diesem herrlich schrägen Abend.

Das Trio servierte verschiedene Arten von Sprachbehandlung. Am leichtesten hatte man es mit den vier Lektionen, in denen der Ring, das Kaffeehaus, das Amt und der Zentralfriedhof als typische Wiener Institutionen vorgestellt wurden. Und zur besseren Verständlichkeit gab es die hochdeutsche Textfassung eingeblendet mittels Power-Point-Präsentation.

Zwei richtige Lesungen tätigte der Autor dann doch noch so mittendrin, wobei die Kurzgeschichte „Wenn ...“ aus dem Erzählband „Absurdes Glück“ mit ihrer skurrilen Pointe ein kleines Meisterwerk darstellt. Wenn nämlich die Buchwieser Anna damals das Gulasch nicht versalzen hätte, hätte das jüdische Fräulein Hannah den Kunststudenten Hitler kennen gelernt und geehelicht, nachdem der konvertiert wäre. Auf so eine Idee kann wohl auch nur ein Wiener kommen.

Und dann waren da die vielen Lieder und Gedichte, die als Gstanzerl, Sprechgesang und Chanson dargeboten wurden. Wiener Schmäh und Morbidität, verbunden mit messerscharfer Analyse des Hier und Jetzt, versehen mit beißender Kritik an Banken und pädophilen Priestern - auch das können in der Qualität nur Österreicher und insbesondere Wiener. Das Lachen blieb einem oft im Halse stecken, sofern man jedes Sprachdetail verstehen konnte. Das menschliche Miteinander, die Liebe, die Lust, den anderen zu morden, die Lust an der Lust, die Lust am Subversiven waren die Themen, zu denen der Autor oft die singende Säge spielte, während seine zwei Mitstreiter als Komponisten der Lieder mit Klarinetten und Gitarren das harmonische Drumherum meisterlich hinzufügten.

Auch aus 152 österreichischen Ortsnamen gab es auch ein Lied, welches zu unanständigen Assoziationen führte. Und doch, einer der besten Witze des Abends kam schon zu Beginn, als die Wiener sich erkundigten, ob man sie denn verstehe, da sie ja im Gegensatz zu den Deutschen kein Deutsch könnten. Und das mitten im schwäbischen Ulm – auch darauf muss man erst einmal kommen.

 

Garstig, gallig, wienerisch: Stefan Slupetzky

(im Hintergrund an der Klarinette Martin

Zrost). Bild: Sophie Krauss

 

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