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Fräulein Else

(nach der Novelle von Arthur Schnitzler) 

Bühnenfassung: Stefan Slupetzky - Regie: Alexandra Liedtke - Bühne: Peter Loidolt - Kostüme: Erika Navas - Licht: Lukas Kaltenbäck - Visuals und Technik: Felix Dietlinger.

Mit: Merle Wasmuth, Dietrich Mattausch, Alexander Rossi, Karin Kofler, Marianne Nentwich und Robert Finster

Peter Jarolin, „Kurier“ vom 3. 7. 2011:

Reichenau: Jubel für "Fräulein Else"

Mit Schnitzlers "Fräulein Else" feiern die Festspiele Reichenau zum Saison-Auftakt einen großen Erfolg.

Stefan Slupetzky hat diesen inneren Monolog sehr klug für die Bühne adaptiert. Regisseurin Alexandra Liedtke bringt im Neuen Spielraum im Theater Reichenau (ursprünglich war das jetzt nicht mehr bespielbare Südbahnhotel am Semmering vorgesehen) den Stoff ganz reduziert und mit einer gehörigen Portion eiskalter Psychologie zum Leben. Schnitzler heutig, abgeräumt und gnadenlos.

Liedtke hat in der großartigen Merle Wasmuth die perfekte Else. Denn Wasmuth trägt in diesen pausenlosen 90 Minuten die Aufführung. Ein paar Projektionen hin, ein paar Requisiten her - Wasmuth fesselt durch ihr intensives Spiel und zeigt alle Ecken und Kanten dieser Figur. Aufbegehrend, träumerisch, fordernd, resignierend, verletzlich und verletzend: Merle Wasmuth bringt eine sehr moderne Else auf die Bühne, an deren Schicksal man Anteil nimmt.
Dass alle anderen Personen fast auf Stichwortgeber reduziert sind, versteht sich. Immerhin: Dietrich Mattausch strahlt als Elses Tragödie auslösender Herr von Dorsday eine eminente, dabei joviale Gefahr aus, und Alexander Rossi eignet sich als Elses erotische Projektionsfläche gut. Karin Kofler gibt zu Else einen sinnlichen Widerpart; Marianne Nentwich stattet die Tante mit schönsten Schnitzler-Tönen aus, und Robert Finster gefällt auch an der Geige. Jubel.

Fazit: Ein erotisches Psychodrama

Werk: Arthur Schnitzler schrieb die Novelle "Fräulein Else" 1924 als inneren Monolog. Der Autor selbst wollte sein Werk gern auf einer Bühne sehen.
Fassung: Stefan Slupetzky hat ein sehr kluge, entschlackte Bühnen-Adaption erstellt, die sich mit Elses inneren Konflikten und Sehnsüchten beschäftigt.
Regie: Alexandra Liedtke holt Schnitzler gut ins Heute. Reduktion und Psychologie sind hier Trumpf. Freud lässt grüßen.

Spiel: Merle Wasmuth brilliert als Fräulein Else und trägt die gesamte Aufführung. Das übrige Ensemble agiert souverän.

 

Barbara Petsch, Die Presse vom 3. 7. 2011

Eröffnung mit Schnitzlers "Fräulein Else" bei den Festspielen Reichenau: In der Titelrolle punktet Merle Wasmuth mit Frische.

Wasmuth ist eine vitale Schauspielerin. Sie wirft sich in diese Rolle mit aller Verve hinein. Man merkt, dieses Mädchen ist erstklassig ausgebildet und kann denken. Eine spannende, wohl auch moderne „Else“-Version ist das geworden. (...)

Von dem Moment an, als sich Else entblößt bis zum wunderbaren Finale, wenn sie hoch über dem Auditorium, auf dem Türsims ihren letzten Satz spricht („Ich habe ja gewusst, dass ich fliegen kann“), ist die mit 90 Minuten kurze Aufführung perfekt.

 

Dorian Waller, "Der Standard" vom 4. 7. 2011:

Schnitzler schildert in seiner Monolognovelle, die in Stefan Slupetzkys Bühnenfassung durch Verschiebungen mehr Richtung bekommt, ein junges Mädchen, das zwischen Verantwortungsgefühl, Exhibitionismus und Ekel auf einen Abgrund zutaumelt. Im kühlen Neuen Spielraum des Theaters Reichenau wird daraus ein Positionierungsversuch im Generationsgefüge. (...)

Gelegentliche Videoprojektionen an den Wänden des weitgehend leeren Spielraums (Bühne: Peter Loidolt) illustrieren zusätzlich die Wahrnehmungen der Verzweifelnden. Auch wenn Wasmuth ihre große Aufgabe sehr gut meistert, entsteht die beste Szene im Zusammenspiel mit Mattausch, wenn Herr von Dorsday den An- und Abstand zunehmend vermissen lässt.

Dennoch viel Applaus für eine recht brave Inszenierung sowie Jubel für eine sichtlich bewegte Hauptdarstellerin.

 

Christina Böck, "Wiener Zeitung", 4. 7. 2011:

Die Verzweiflung steht ihr

Schnitzlers "Fräulein Else" straff und spannend bei den Festspielen Reichenau. 

Die Novelle aus 1924 ist einer von Schnitzlers Texten, die mit dem damals populär gewordenen Bewusstseinsstrom arbeiten. Ein langes inneres Selbstgespräch - wie bringt man so etwas ins Theater? Die Festspiele Reichenau versuchen es. Und tatsächlich, "Fräulein Else" gibt sich gar nicht so sperrig auf der Bühne. (...)

Merle Wasmuth spielt eine Else, die in der ersten Hälfte fast schon irritierend aufgedreht und kindisch agiert. Das Fräulein, das bei Schnitzler unsicher, aber flirty, vordergründig selbstbewusst mit fast erwachsenen Zynismen, aber letztlich adoleszent-wankelmütig erscheint, wirkt bei ihr anfangs nur laut pubertär. Umso besser entfaltet sich freilich dann in der zweiten Hälfte der Kontrast dazu: Als nämlich Herr von Dorsday, den sie anpumpen soll, seine Forderung stellt: Er will, dass sie sich für ihn auszieht. Da spürt man förmlich, wie in ihr eine Welt zusammenbricht. Die Welt von der bürgerlichen Idylle, die es gar nicht geben kann. Aus Trotz zieht sich Else nicht nur für Dorsday aus, sondern gleich für alle Anwesenden. Man könnte sagen: Diese verwirrte Verzweiflung steht Wasmuth ausgezeichnet zu Gesicht.

Dietrich Mattausch, der den voyeuristischen Dorsday spielt, geht nicht in die Falle, einen schmierigen alten Grapscher zu geben. Alexander Rossi als Paul, Karin Kofler als seine Geliebte Cissy und Marianne Nentwich als Elses Tante Emma werden naturgemäß - wie in der Novelle auch - zu Stichwortgebern. Ihre größten Auftritte haben sie, wenn Liedtke die zwei romantischen Visionen, die sich Else von ihrem vielbeklagten Tod ausmalt, visualisiert. (...)

Am Ende liegt Else bewusstlos - bevor sie eine Überdosis Veronal nimmt - unter einem weißen Tuch wie auf einer Festtafel. Das passt eigentlich ganz gut: Fräuleins wie sie verspeiste die Gesellschaft damals zum Frühstück.

 

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